9/5/2024 Insektenhotels im Fokus: Was Sie wissen sollten - Interview mit Wildbienenexperte Ralf DalheuserRead NowInsektenhotels im Fokus: Was Sie wissen sollten - Interview mit Wildbienenexperte Ralf DalheuserIn den letzten Jahren erfreuen sich Insektenhotels grosser Beliebtheit und sind mittlerweile in vielen Gärten zu finden. Doch welchen Nutzen bieten sie tatsächlich dem Schutz unserer Wildbienen? Der Naturschutzverein Hallau hat dazu den Feldentomologen und -mykologen Ralf Dalheuser interviewt. Dalheuser beschäftigt sich seit seiner Jugend mit der Erforschung der heimischen Natur. Unter anderem leitet er die Administration des Naturgartenforums, einer öffentlichen Gruppe des NaturGarten e.V. mit über 75,000 Mitgliedern (Stand Mai 2024). Naturschutzverein Hallau: Herr Dalheuser, Insektenhotels sind in den letzten Jahren in immer mehr Gärten aufgetaucht und erfreuen sich grosser Beliebtheit. Sehen Sie darin eine positive Entwicklung? Ralf Dalheuser: Grundsätzlich ja, das Interesse an Wildbienen und anderen Insekten ist erfreulich und wichtig. Allerdings habe ich durch meine intensive Beschäftigung mit Wildbienen und den Austausch mit Experten auch einige kritische Aspekte der Insektenhotels kennengelernt. Ein grosses Problem liegt in den zu grossen oder falsch konzipierten Nisthilfen, die mehr Schaden anrichten können als sie nützen. Naturschutzverein Hallau: Können Sie diese Probleme genauer erläutern? Ralf Dalheuser: Sicher. Insektenhotels zielen oft auf Arten ab, die vorhandene Löcher im Holz oder anderen Substraten als Brutröhren nutzen. Die häufigsten Wildbienenarten, die in Insektenhotels vorkommen, sind die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) und die Rote Mauerbiene (Osmia bicornis). In der Natur sind die natürlichen Brutplätze dieser Arten jedoch oft rar und weit verstreut. Grosse Insektenhotels bieten jedoch dicht an dicht hunderte von Löchern, was in der Natur so nicht vorkommt. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Ein kleines Insektenhotel von 30 x 30 cm kann bis zu 600 Röhrchen enthalten. Unter günstigen Bedingungen können daraus im Schnitt 3,000 Individuen schlüpfen. Wenn man nun zwei oder drei solcher kleinen Nisthilfen hat, der Nachbar auch, und dessen Nachbar ebenfalls, kann man sich leicht ausrechnen, wie schnell das zu viel wird. Abgesehen von der Nahrungskonkurrenz nisten die Nachkommen dann nicht nur in einem Insektenhotel, sondern nutzen auch alle möglichen anderen Löcher, die eigentlich von anderen Solitärarten benötigt werden. Man produziert damit eine richtige Wohnungsnot. Jetzt stellen Sie sich vor, wie viele Individuen bei einem grossen Insektenhotel von 1 x 1 Meter entstehen! Diese unnatürlich hohe Populationsdichte zieht vermehrt Parasiten und Fressfeinde an, die sich auch auf andere, seltenere Wildbienenarten auswirken. Zudem kann eine Überbevölkerung dieser Generalisten zu Nahrungskonkurrenz mit selteneren Arten führen, vor allem, wenn das Pollen- und Nektarangebot nicht ausreicht. Naturschutzverein Hallau: Also sollten Insektenhotels gar nicht mehr aufgestellt werden? Ralf Dalheuser: Nicht unbedingt. Ich denke, wir können sie weiterhin nutzen, aber in deutlich kleineren Ausführungen. Eine kleine Dose mit 10 bis 20 Röhrchen reicht völlig aus, um Wildbienen zu beobachten und Kindern einen Einblick in das Leben dieser faszinierenden Insekten zu geben. Wichtig ist auch, dass wir darauf achten, dass die Röhrchen einen Durchmesser von weniger als 5 Millimetern haben. In diesen kleinen Löchern finden die häufigen Arten kaum Platz, was die Gefahr einer Überbevölkerung reduziert. Naturschutzverein Hallau: Gibt es noch weitere Massnahmen, die Sie empfehlen können, um Wildbienen zu unterstützen? Ralf Dalheuser: Auf jeden Fall. Anstatt sich auf Insektenhotels zu verlassen, sollten wir uns darauf konzentrieren, natürliche Lebensräume für Wildbienen zu schaffen. Offene Bodenstellen mit Strukturen, Totholz und heimische Pflanzen, insbesondere Frühblüher, sind hervorragende Möglichkeiten. Stängel vom Vorjahr stehen zu lassen, bietet ebenfalls wichtige Nistplätze. Zudem sollten wir Vielfalt fördern und möglichst viele einheimische Pflanzen in den Gärten etablieren. Naturschutzverein Hallau: Wie gehen Sie mit Beiträgen um, die ungeeignete oder zu grosse Nisthilfen zeigen? Ralf Dalheuser: Gelassenheit und Aufklärung sind hier entscheidend. Oft bauen Menschen solche Nisthilfen in bester Absicht, vielleicht sogar zusammen mit ihren Kindern. Anstatt harscher Kritik sollten wir aufklären und zeigen, wie es besser geht. Wir sollten daran denken, dass die meisten Menschen etwas Gutes für die Wildbienen tun wollen und sich nur auf falsche Quellen verlassen. Grosse Wildbienenhotels dienen fast ausschliesslich den nicht gefährdeten Mauerbienen-Arten und begünstigen die Vermehrung von Parasiten und Fressfeinden, die sich auch auf seltenere Wildbienenarten auswirken. Die Überbevölkerung der Generalisten kann zu Nahrungskonkurrenz seltener Arten führen (Quelle: Geertivp - Wikimedia Commons) Naturschutzverein Hallau: Vielen Dank für diese aufschlussreichen Informationen, Herr Dalheuser. Gibt es noch einen abschliessenden Rat, den Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben möchten? Ralf Dalheuser: Ja, bitte vermeidet den Kauf von Wildbienenbrut oder zu grossen Insektenhotels. Es ist viel besser, kleine Nisthilfen selbst zu bauen und natürliche Lebensräume zu schaffen. Mit einer kleinen Dose oder einem einfachen Holzblock können wir Kindern das Leben der Wildbienen nahebringen, ohne eine Überpopulation und deren negative Auswirkungen zu riskieren. Vielfältige und naturnahe Gärten sind der beste Weg, um unseren Wildbienen nachhaltig zu helfen. Naturschutzverein Hallau: Wo können unsere Leser weitere nützliche Informationen zum Thema Naturgarten finden? Ralf Dalheuser: Eine hervorragende Quelle ist das Naturgartenforum auf Facebook, eine öffentliche Gruppe des deutschen NaturGarten e.V. Hier finden Sie eine lebendige Community mit über 75,000 Mitgliedern (Stand Mai 2024), die sich intensiv mit dem Thema Naturgarten beschäftigen. Die Gruppe bietet wertvolle Tipps, Austauschmöglichkeiten und Inspirationen für jeden, der seinen Garten naturnaher gestalten möchte. Schauen Sie gerne vorbei: Naturgartenforum - NaturGarten e.V.
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